Von der Freude, erstmal eine Sache richtig zu machen
Auf der Suche nach der Erfüllung unserer Bedürfnisse haben wir oft das Gefühl, uns neue Wege erschließen zu müssen. Dabei übersehen wir manches Mal, was in unserem Leben schon vorhanden ist und was wir bereits begonnen haben.
Mir ist das bei folgendem Erlebnis sehr deutlich geworden:
Es gab eine Zeit in meinem Leben, da konnte ich den Gedanken nicht aus dem Kopf bekommen, noch einmal Mutter zu werden. Ich war so verliebt in das Familienleben, dass ich mich nicht mit dem Gedanken anfreunden konnte, dass meine Kinder langsam größer wurden und es irgendwann damit vorbei sein würde. Beinahe hatte ich das Gefühl, es wäre schon fast vorbei, obwohl ich ehrlich gesagt mitten drin steckte und noch viele Jahre vor mir haben würde. Ich schwelgte in Blogposts anderer Mütter über das Leben mit Ihren Babies und Kindern und sah sehnsuchtsvoll jedem Baby nach, dem ich auf der Straße begegnete.
Nun hatte ich aber rein gar keine Lust, noch eine Schwangerschaft zu durchleben und war auch keineswegs scharf darauf, noch einmal so stark gebunden zu sein, wie in der Zeit mit einem kleinen Baby.
Ich sehnte mich in Wirklichkeit danach, mich mehr auf‘s Familienleben zu fokussieren, es zu genießen und mich mit meinen Kindern noch enger verbunden zu fühlen. Doch das nahm ich nicht war, sondern nur den wiederkehrenden Impuls, durch den dieses Bedürfnis sich äußerte: die irrationale Verlockung, noch einmal Mutter zu werden. Und das, obwohl ich gleichzeitig so froh war, dass meine drei Kinder gerade aus dem Gröbsten heraus waren, und ich und mein Mann wieder mehr Freiheiten genossen und uns neu finden konnten.
Es wurde mir erst klar, als ich das Buch der Imkerin Agnes Flügel las: „Wie ich meinen Träumen Flügel verlieh“. Nachdem sie erfolgreich ihren ersten eigenen Honig produziert und sich selbstständig gemacht hatte, kam ihr die Idee, das ganze nun groß aufzuziehen, um richtig Erfolg zu haben. In der Hoffnung, einen großartigen Marketingplan für ihre expandierende Firma auf die Beine zu stellen und viele neue Produkte zu kreieren, lud sie ein paar Freunde aus der Stadt zum Brainstorming ein. Doch nachdem sie ihr Anliegen vorgetragen hatte, und nur ein recht zäher und frustrierender Prozess in Gang kam, holte einer ihrer Freunde sie schließlich sanft auf den Boden zurück indem er vorschlug: „Agnes, mach doch erstmal eine Sache richtig!“ (richtig guten Honig produzieren und dafür bekannt werden)
Ich weiß nicht, ob es gleich während des Lesens passierte, oder ein paar Tage später, jedenfalls brachte mein Gehirn diese Aussage irgendwann schlagartig mit meinem Wunsch nach Mutterschaft zusammen und mir ging ein riesengroßes Licht auf. Statt noch einmal Mutter zu werden – was zu diesem Zeitpunkt ja gar nicht so wirklich in mein Leben und zu meinen sonstigen Bedürfnissen passte – konnte ich meinen Wunsch, zu bemuttern und ein intensives Familienleben zu führen, genauso gut auf meine drei bereits vorhandenen Kinder konzentrieren. Es ist mir jetzt fast peinlich das zu sagen, aber damals erschien mir der Gedanke tatsächlich neu.
Ich begann zu überlegen, wie ich diese Bedürfnisse in unserem jetzigen, realen Leben noch mehr verwirklichen könnte. Und mir wurde klar, dass ich damit nicht nur mir selbst, sondern auch den Kinder etwas Gutes tun würde, indem ich mich darauf konzentrierte, erstmal diesen dreien gerecht zu werden. Meine Erleichterung durch diese Erkenntnis war riesengroß – nicht nur, dass ich meine liebgewonnene, wachsende Freiheit nicht wieder aufgeben musste, ich würde auch das würdigen, was ich angefangen hatte, statt uns allen auf der Suche nach Erfüllung noch mehr „aufzuladen“. Ein sehr befriedigender Gedanke.
Die Frage ob man ein weiteres Kind bekommen möchte ist natürlich eine sehr persönliche, und meine Entscheidung soll hier nicht als stellvertretend für andere Menschen und Situationen verstanden werden. Sie war für mich in diesem Moment die richtige.
Indem ich das erzähle möchte ich Mut machen, sich bei schwierigen Entscheidungen, zu fragen:
- welche Bedürfnisse stehen wirklich dahinter?
- und gibt es noch andere Wege gibt, sie zu erfüllen? Vielleicht einen, der sich leicht und richtig anfühlt?
Oft denken wir, die eine Strategie, die wir im Kopf haben, sie die einzig mögliche, doch das ist sehr selten der Fall.
Was sind derzeit Ihre stärksten Sehnsüchte? Vielleicht wollen Sie das Experiment wagen, und sie als Hinweise auf Ihre dahinterliegenden Bedürfnisse verstehen. Dann könnten Sie sich fragen:
- was ist in meinem Leben schon da, das mit diesen Bedürfnissen zu tun hat?
- Wo würde es mich befriedigen, wenn ich eine Sache erst mal „richtig“ machen könnte?
- Wo habe ich den Fokus zu sehr auf eine bestimmte „neue“ Lösung verengt?
Damit will ich auf keinen Fall sagen, dass etwas verkehrt daran wäre, neue Wege zu gehen, und seinen Sehnsüchten zu folgen. Manchmal erleichtert es einfach zu erkennen, dass es nicht zwingend notwendig ist… dass es eventuell sogar elegantere Lösungen gibt. Achten Sie einfach darauf, ob Ihnen dieser Gedanke gut tut oder Sie eher stresst.
Ich bin nach ein paar Jahren immer noch sehr froh über meine Entscheidung. Ich merke, dass eine enge Verbindung zu meinen Kindern erfordert, dass ich mich immer wieder voll auf sie einlasse und mit meiner ganzen Aufmerksamkeit bei ihnen bin. Das fällt mir bei drei Kindern (und vielen anderen Dingen, die mich interessieren) gar nicht immer so leicht. Es erfüllt mich mit Freude zu erleben, dass unsere Verbundenheit immer noch in der Lage ist zu wachsen, und dass ich die Zeit und Muße habe, dieses Wachstum zu pflegen. Ich genieße außerdem jeden freien Vormittag, den ich für mich habe und jeden Spaziergang, den ich mit meinem Mann abends genießen kann, ohne einen Babysitter zu engagieren ;)
Ich wünsche ihnen einen guten Start in Ihre neue Woche!
Herzlich,
Katharina Mathea